Steirische Luftfahrtindustrie im Steigflug

Graz, 26. November 2015 - Schon jetzt erwirtschaftet die steirische Luftfahrtindustrie jährlich rund 300 Millionen Euro. Experten sehen aber noch Luft nach oben, wie heute beim Luftfahrttag des ACstyria am Flughafen Graz deutlich wurde.
In der EU hat sich der Flugverkehr seit 1990 verdoppelt. Dementsprechend rechnet Branchenprimus Airbus mit über 30.000 neuen Flugzeugen bis 2030 - ein Markt mit 4,5 Billionen Euro entsteht. Weltweit werden rund 32 Millionen Flüge mit drei Milliarden Passagieren pro Jahr abgewickelt. Das bleibt auch für die Steiermark nicht ohne positive Auswirkungen: „Die Luftfahrttechnik hat sich in den letzten Jahren zu einem wesentlichen wirtschaftlichen Stärkefeld mit hohem Wachstumspotenzial. Die rund 30 steirischen Unternehmen in der Luftfahrttechnik erwirtschaften einen Umsatz von über 300 Millionen Euro pro Jahr und sind damit so erfolgreich wie nie zuvor", betont Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann, der für die Zukunft auf Grund der globalen Entwicklung weitere Wachstumschancen sieht: „Diese Chancen wollen wir nutzen!"
Erfolgsfaktor I: Synergien
Zum Vergleich: 2013 hatte die weiß-grüne Wertschöpfung mit dem Geschäft über den Wolken noch 250 Millionen Euro betragen. Buchmann sieht darin eine Bestätigung für den Weg im Wirtschaftsressort: „Wir haben den ACstyria in den letzten Jahren zum umfassenden Mobilitätscluster weiterentwickelt und zusätzlich zum Kernbereich Automotive eben die Luftfahrt- sowie die Bahn- und Schienensystemtechnik integriert. Durch die verstärkten Synergien profitieren sämtliche Branchen."
Erfolgsfaktor II: Hochtechnologie in Nische
Neben diesem wechselseitigen Austausch von Synergien ist für Franz Lückler, Geschäftsführer des ACstyria, die Flexibilität der Zulieferer hierzulande der Hauptgrund für den Boom in der Luft: „Besonders flinke Kleinunternehmen, die individuell auf Kundenbedürfnisse eingehen und zeitnah reagieren, sind erfolgreich", so der ACstyria-Chef. Das gilt insbesondere für Nischenmärkte: „Unsere Luftfahrtzulieferer reüssieren traditionell nicht im Massensegment - sie punkten mit Hochtechnologie in Nische", ist sich Lückler sicher.
Erfolgsfaktor III: Kampf der Airlines
Klar ersichtlich ist das aktuell im Bereich der Flugzeug-Innenausstattung, wo Optik und Architektur bis ins kleinste Detail von höchster Bedeutung sind: „Die Fluglinien müssen Alleinstellungsmerkmale schaffen, sich von den Konkurrenten abheben", weiß Lückler. Das gelingt vor allem mit dem Interieur der Kabinen: „Mittlerweile wird der Innenraum von Flugzeugen alle fünf bis sechs Jahre völlig neugestaltet. Vor einiger Zeit ist dieser Zyklus noch bei etwa zehn Jahren gelegen", erklärt Lückler. Dieser entbrannte Kampf der Airlines um jeden Fluggast trägt zum Steigflug der heimischen Luftfahrtindustrie erheblich bei: Denn das Volumen des Marktes mit dem Innenraum von Kabinen beläuft sich mittlerweile auf bemerkenswerte 13 Milliarden Euro. „Weltweit gibt es für diesen Nischenmarkt Wachstumsraten von zirka acht Prozent - für Luftfahrtzuliefer-Betriebe ist das ein lukratives Geschäft worden", unterstreicht auch Herbert Brunner, Geschäftsführer des in Fohnsdorf angesiedelten Luftfahrtzulieferers Antemo.
Forderung I: Arbeitszeiten flexibilisieren
Auch das zehnköpfige Kleinunternehmen profitiert vom Luftfahrt-Boom: Denn verglichen mit dem Vorjahr konnte Brunners Unternehmen den Umsatz heuer um satte 30 Prozent erhöhen: „Obwohl wir hier sicher noch lange nicht am Zenit angekommen sind, es gibt noch viel Spielraum nach oben", sieht Brunner noch Potenzial. Komplette Baugruppen wie Business-Tische und Schlosssysteme des obersteirischen Unternehmens finden sich in fast allen Flugzeugen dieser Welt - „von Airbus über Boeing bis hin zu Bombardier", konkretisiert Brunner. Um auch künftig die Top-Flugzeughersteller beliefern zu können, wünscht sich der Luftfahrtexperte allerdings für die Wirtschaft attraktivere Rahmenbedingungen am Standort: „Um kurzfristig Verkaufshochs abzuarbeiten, brauchen wir eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten", fordert Brunner.
Forderung II: Senkung der Lohnnebenkosten
Ins selbe Horn stößt auch der Peggauer Zulieferer AMES: Innerhalb von zehn Jahren schoss das innovative 50-köpfige Unternehmen von null auf zwölf Millionen Euro Umsatz - mit noch mehr Potenzial nach oben, sofern die wirtschaftlichen Parameter stimmen: „Neben den verbürokratisierten Arbeitszeiten sind für uns vor allem die hohen Lohnnebenkosten problematisch", erklärt AMES-Geschäftsführer Walter Starzacher, der folglich eine Reduktion ebendieser einfordert. Sind diese Rahmenbedingungen optimiert, geht Starzacher sogar davon aus, dass die Luftfahrtzulieferer mittelfristig mit der steirischen Automobilindustrie gleichziehen können: „Das Zeug dazu haben wir hier in der Steiermark mit innovativen Kleinunternehmen und dem dazu passenden universitären Unterbau durch die Technische Universität Graz und die Fachhochschulen auf alle Fälle", betont der AMES-Geschäftsführer, der einräumt: „Denn gerade im globalen Wettkampf der Luftfahrtzulieferer ist das momentan ein Manko, mit dem wir zu kämpfen haben." Soll heißen: Während andere Industrien stärker auf den heimischen Markt bzw. die DACH-Regionen (Deutschland, Österreich, Schweiz) bedacht sind, gibt es im Luftfahrtsegment kaum eine Auftragsvergabe ohne Bietern aus Südamerika, Asien oder Australien.
Diese Internationalität der Branche ist auch in den Kunden vom AMES ablesbar: Weltweit fliegen Airlines und Leasinggesellschaften auf Kabinenteile wie Trennwände, Stauschränke oder Monitorrahmen des Peggauer Betriebs. So sind in den Fliegern der brasilianischen Airline „Azul" genauso Entwicklungen von AMES zu finden wie in Maschinen von „Condor" oder der „Brussels Airlines".