Revolutionäres Verfahren für Mehrschicht-Tabletten aus der Steiermark - Forschungszentrum RCPE und M&R Automation kooperieren

Graz, am 05.12.2013 - Steirische Industriebetriebe investieren Jahr für Jahr in etwa eine Milliarde Euro in Forschung und Entwicklung. „Glued Pills", also geklebte „Multilayer-Tabletten" sind das jüngste Erfolgsbeispiel aus der Region. Es handelt sich um Mehrschicht-Tabletten, welche mehrere Wirkstoffe in unterschiedlichen Schichten enthalten, was den Anwendungskomfort für Patientinnen und Patienten erheblich verbessert. Denn bisherige Verfahren, in denen Wirkstoffschichten mit einem Pressverfahren in ein Präparat zusammengefügt wurden, weisen erhebliche Mängel auf. Dazu gehören hohe Ausschussmengen, die geringe Haltbarkeitsdauer oder die gegenseitige Beeinflussung der Wirkstoffe. Das innovative Klebeverfahren der Glued Pills, welches am Forschungszentrum RCPE (Research Center Pharmaceutical Engineering GmbH) erforscht wurde, schaltet diese Nachteile praktisch aus. Das neue Verfahren ermöglicht eine schnelle und sichere Verbindung verschiedener Wirkstoff-Lagen durch den Einsatz spezieller Separator-Schichten. Innerhalb einer dreijährigen Forschungsphase konnte das RCPE ein Patent anmelden und die Verfahrenstechnik sowie Produktionskonzepte und geklebte Mehrschicht-Tabletten erarbeiten. Gemeinsam mit dem steirischen Unternehmen M&R Automation werden nun die Produktionsentwicklung, die Erarbeitung der spezifischen Verfahrensparameter und die Serienproduktionsautomaten für den Weltmarkt in Angriff genommen.
Gemeinsame Weiterentwicklung zur Marktreife
Das Kompetenzzentrum RCPE konnte im steirischen Unternehmen M&R Automation einen geeigneten starken Partner finden, um gemeinsam die innovative Entwicklung der Tablettenklebe-Automaten serien- und marktreif zu machen.
Die Kooperation wurde anlässlich einer Delegationsreise nach Istanbul im März 2012 als Idee geboren. An dieser Reise nahmen Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann, sowie Vertreterinnen und Vertreter des steirischen Humantechnologie-Clusters, des Internationalisierungscenters Steiermark und der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft (SFG) und zahlreiche steirische Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen teil. Auch das RCPE und M&R Automation gehörten der Delegation an. Das Ziel der Reise war das „World Meeting on Pharmaceutics, Biopharmaceutics and Pharmaceutical Technology", ein alle zwei Jahre stattfindendes Expertinnen- und Expertentreffen. Der M&R-Geschäftsführer Herbert Ritter hatte sich der Delegation angeschlossen, um sich über die Produktionsprozesse in der pharmazeutischen Industrie zu informieren und Möglichkeiten im Bereich der Automatisierung für sein Unternehmen auszuloten. Im Gespräch mit Thomas Klein, Geschäftsführer des RCPE, wurde Ritter auf die vielversprechende Entwicklung des Verklebens von Mehrschicht-Tabletten aufmerksam und war von dem Verfahren begeistert. Eine Kooperation wurde binnen weniger Tage beschlossen, um die Innovation gemeinsam zur Serienreife zu bringen. Klein: „Wir haben in die Entwicklung des Multilayer-Verfahrens 2,5 Personen-Jahre investiert, vorwiegend durch Simulationsarbeit, und ein Patent auf das innovative Verfahren angemeldet. Mit M&R Automation haben wir den perfekten Partner für die Serienüberleitung im nahen steirischen Umfeld gefunden. „Durch's Reden kommen die Leute z'sam" sagt man, dies traf bei der Delegationsreise voll ins Schwarze. Wir freuen uns sehr, heute offiziell die Zusammenarbeit des RCPE mit M&R Automation durch die Unterzeichnung eines Kooperationsvertrages zu fixieren."
Kooperationen wie jene mit dem Kompetenzzentrum RCPE bieten für M&R Automation enorme Vorteile. Die innovative Idee der Glued Pills ermöglicht dem Unternehmen den Eintritt in eine völlig neue Branche. Zu den potenziellen Abnehmerinnen und Abnehmern gehören in erster Linie Pharmafirmen auf der ganzen Welt. In einem ersten Schritt sollen zunächst Vitaminpräparate und Nahrungsergänzungsmittel produziert werden, denn die Zulassungen dafür sind leichter zu bekommen und der Markt bietet noch großes Entwicklungspotential. „M&R ist seit Jahren vorwiegend im Automobil-Bereich sehr erfolgreich. Ich war von der Entwicklung der Multilayer-Technologie, die durch das RCPE vorgestellt wurde, von Beginn an begeistert. Wir sehen uns als idealer Projektpartner, da wir alle noch ergänzend erforderlichen Kerntechnologien im Hause haben. Wir haben uns gemeinsam das Geschäftspotential genau angesehen. Durch die Kooperation mit dem RCPE betreten wir mit einer hochinnovativen Technologie in ein neues Terrain. Dabei verbreitern wir unser Kundenportfolio in einen weiteren sehr interessanten Industriebereich.", so Ritter. Christian Amon, Leiter des Projekts und verantwortlich für Business Development bei M&R Automation, ergänzt: „Wir möchten in spätestens zwei Jahren mit den ersten Serienautomaten auf den Markt kommen und planen am Standort Graz zu produzieren. Um dies zu erreichen, wird M&R Automation rund 1 Million Euro in die Entwicklung investieren."
Von der Idee zu lokaler Wertschöpfung und Arbeitsplätzen
Das Beispiel Glued Pills zeigt, dass es immer wieder gelingt, die Wertschöpfung heimischer Entwicklungen in der Region anzusiedeln. Profiteurinnen und Profiteure sind außer dem RCPE und M&R Automation somit die regionale Wirtschaft und auch steirische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Von heimischen Studierenden und Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, welche die Chance haben, mit Ihrer Arbeit zur Entwicklung innovativer und anwendungsorientierter Ideen beizutragen, bis hin zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Fertigung werden neue Karrieremöglichkeiten und Positionen am Arbeitsmarkt geschaffen.
Nicht zuletzt zählen natürlich auch die Patientinnen und Patienten, die weltweit die Vorteile der neuen anwendungsfreundlichen Präparate genießen werden, ebenfalls zu den Gewinnerinnen und Gewinnern des Kooperationsprojekts. Johannes Khinast, wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer des RCPE: „Insbesondere im Hinblick auf eine immer älter werdende Gesellschaft werden Multilayer-Tabletten das Leben vieler Menschen in Zukunft deutlich erleichtern. Wir werden mit diesem neuartigen Verfahren noch sehr viel bewegen und entwickeln es ständig weiter."
In der Steiermark wurden die Voraussetzungen für ein kreatives, innovatives und produktives Umfeld geschaffen, in dem nicht nur Ideen hervorgebracht und umgesetzt werden, sondern das weitere Expertinnen und Experten sowie Investorinnen und Investoren anzieht und das Bundesland zu einer noch stärkeren Kompetenzregion macht. So sind weitere Firmenansiedlungen möglich und Spin-offs von Kompetenzzentren oder Unternehmen treffen lokal auf beste wissenschaftliche und wirtschaftliche Grundvoraussetzungen.
Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann: „Die Steiermark ist mit einer regionalen Forschungs- und Entwicklungsquote von 4,6% das innovativste Bundesland Österreichs und liegt auch europaweit im Spitzenfeld. Zu diesem Erfolg tragen die Kompetenzzentren in der Steiermark maßgeblich bei, mit 22 von 50 sind wir auch hier das führende Bundesland. Ziel der Kompetenzzentren ist, dass durch die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft letztlich marktreife innovative Produkte entwickelt werden. Das aktuelle Projekt der Glued Pills des K1-Zentrums RCPE zeigt, wie aus einer innovativen Idee gemeinsam mit einem ebenfalls innovationsorientierten Unternehmen ein marktreifes Produkt entsteht. Seit 2006 bis heute hat das Wirtschaftsressort des Landes Steiermark 100 Millionen Euro in die Kompetenzzentren investiert. In den nächsten Jahren werden nochmals 40 Millionen Euro zur Verfügung stehen, um diese Innovations-Schmieden auszubauen und so nachhaltig am Standort Steiermark in Wachstum, Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu investieren."
Das Forschungszentrum RCPE konnte in den letzten zwei Jahren bereits drei erfolgreiche Ausgründungen vermelden. Das erste Spin-off „Pharmaceutical and Regulatory Services GmbH" ist als Beratungsunternehmen auf die Zulassung von Medikamenten spezialisiert. Das zweite Unternehmens-Spin-off p[roombiotic]s GmbH aus dem Forschungszentrum RCPE entwickelt innovative Technologien zur Entfernung gefährlicher Verunreinigungen im Pharma- und Medizinalbereich ebenso wie in der Lebensmittelbranche. Die dritte Ausgründung SES-Tec (Scientific & Engineering Simulation - Technology) bietet innovative Lösungen für komplexe Problemstellungen im multiphysikalischen Simulationsbereich und schließt damit eine Lücke in der Produkt- und Prozessoptimierung.
M&R Automation GmbH
Die M&R Automation GmbH ist ein weltweit tätiges Unternehmen und bietet seinen Kunden innovative Automatisierungslösungen im Bereich der Montage-, Mess- und Prüftechnik an. Von der Entwicklung bis hin zur Markteinführung unterstützt die M&R Automation seine Kunden und Partner in der Automobil-, Elektronik- und Konsumgüterindustrie sowie in der Medizintechnik und Chemieindustrie. Das Portfolio von der Entwicklung über Bau von kundenspezifischen Produktions- und Prüfsystemen umfasst daher unter einem Dach die Mechanik, Elektrik und Programmierung. M&R liefert als Partner schlüsselfertige Systeme bis zum „start of production". Das M&R Headquarter befindet sich in Graz/Österreich. Weitere Niederlassungen sind in Deutschland (Erfurt), Kanada (Toronto) und China (Suzhou). Die M&R Automation GmbH beschäftigt weltweit mehr als 300 Mitarbeiter und generiert einen Jahresumsatz von 56 Million Euro. Mit einem aktuellen Exportanteil von 85% hat sich M&R Automation seit seiner Gründung in einem Zeitraum von mehr als zwei Jahrzenten einen internationalen Ruf in der Automatisierungsbranche erarbeitet. Zu den Kunden zählen neben Klein- und Mittelbetrieben aus der Region auch namhafte internationale Großkonzerne wie Philips, Magna, BMW, Roche, VW, Daimler, Bosch, Continental, usw.
Die teilweise durch Auszeichnungen prämierten Forschungs- und Entwicklungs-Kooperationen der M&R Automation mit Forschungseinrichtungen im In- und Ausland bestätigen die gute Vernetzung und Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen.
RCPE - Research Center Pharmaceutical Engineering GmbH
2006 entstand am Institut für Prozess- und Partikeltechnik der TU Graz die Idee des RCPEs. Im September 2007 wurde das Zentrum schließlich offiziell als COMET K1-Kompetenzzentrum genehmigt. Das deklarierte Ziel lautete, Österreich und die Steiermark zur Nummer 1-Region der pharmazeutischen Prozess- und Produktentwicklung zu machen. Das RCPE wurde schließlich am 1. Juli 2008 als unabhängiges Forschungszentrum für pharmazeutische Prozess- und Produktentwicklung gegründet. Es befindet sich zu 100 Prozent in Besitz von Forschungseinrichtungen (TU Graz, KF-Universität Graz und Joanneum Research) und hat seinen Sitz in Graz. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2012/13 betrug 8,1 Million Euro.
In der Zwischenzeit sind über 100 Angestellte und Wissenschafterinnen und Wissenschafter am RCPE tätig. Besonders stolz ist man auf das annähernd ausgeglichene Geschlechterverhältnis, das sich in einem Anteil von weiblichen Mitarbeiterinnen von 46 Prozent äußert.
In den vergangenen Jahren wurden Kooperationspartnerschaften mit 20 Forschungseinrichtungen und 70 Industrieunternehmen initiiert. Zu den namhaftesten Partnerbetrieben zählen Novartis Pharma, Bayer Schering Pharma, Asta Zeneca UK, Sanofi Aventis, Boehringer Ingelheim und Nestlé. Neben zahlreichen Publikation sowie Dissertationsprojekten und Diplomarbeiten wurden inzwischen drei Patente angemeldet und 20 weitere beantragt. Außerdem sind bereits zahlreiche Lizensierungen erfolgt.
Zum Aufbau des Mitarbeiterstabs insbesondere im Bereich der wissenschaftlichen Arbeit wurden 19 internationale Expertinnen und Experten nach Graz geholt. Außerdem wird gezielt an der Förderung des heimischen Forscher-Nachwuchses gearbeitet, indem Kinder und Jugendliche angesprochen werden, um sie für Wissenschaft und Forschung zu begeistern. Studierende der Grazer Universitäten haben die Möglichkeit Diplomarbeiten und Dissertationen in Zusammenarbeit mit dem RCPE zu erstellen. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Nachwuchsförderung bzw. zur Ausbildung zukünftiger heimischer Expertinnen und Experten geleistet.
Forschungsfelder
Die Forschungsfelder liegen in den Bereichen Entwicklung von modernen Medikamenten und Therapeutika, neuen Verabreichungsformen und diagnostischen Geräten sowie diesbezüglichen Produktionsprozessen. Konkrete Ziele des RCPE sind
• Entwicklung einer innovativen forschungsbezogenen Wissensbasis für Prozess- und Produktdesign und Entwicklung
• Steigerung der Nachhaltigkeit und Reduktion des Zeit- und Kostenaufwands für pharmazeutische Entwicklungen
• Schaffung von geschäftlichen Vorteilen für die Partnereinrichtungen
• Entwicklung einer interdisziplinären Forschungsbasis mit Kompetenzen aus den Bereichen Chemische- und Mechanische Ingenieurwissenschaften, Biotechnologie, Chemie, Pharmazie und Werkstoffkunde
• Enge Zusammenarbeit mit österreichischen und internationalen pharmazeutischen, biopharmazeutischen und technologischen Produktionsbetrieben, um Methoden zur Planung, Optimierung und Herstellung zukünftiger Produkte zu entwickeln
• Integration von zielgerichteter Bildung, Gender-Mainstreaming, Human Ressource -Aktivitäten und Entwicklungsarbeit, um forschungsbasierte Zugänge für die Planung und Optimierung von Produkten zu schaffen
Die Forschungsbereiche sind auf drei Areas verteilt.
Area I: Entwicklung und Integration computergestützter Methoden zur Beschreibung, Simulation, Optimierung, Steuerung und zum Design von Produktfunktionen und Herstellungsprozessen
Area II: Experimentelle und computergestützte Studien zum besseren Verständnis von Produktqualität und -verhalten sowie Strukturierungsmethoden
Area III: Entwicklung, Tests, Optimierung und Steuerung stabiler Prozesse für Produktion, Modifikation und Synthese aktiver Inhaltsstoffe, Materialien, Formulierungen sowie komplexer Arzneimittel und diagnostischer Produkte
Im Zentrum der Tätigkeiten stehen die COMET Projekte („Competence Centers for Excellent Technologies" ist das österreichische Kompetenzzentren-Programm der Bundesministerien für Verkehr, Innovation und Technologie sowie Wirtschaft, Familie und Jugend). Außerdem wird an weiteren von öffentlichen Stellen geförderten Projekten zur Verstärkung des Kompetenzaufbaus mitgearbeitet. Individuell vereinbarte exklusive Auftragsforschungen bilden einen weiteren wichtigen Teil des Portfolios. Dazu gehören beispielsweise experimentelle und analytische Messungen, Literatur-, Machbarkeits-, Design- oder Simulationsstudien.
Kooperationspartnerschaften
Innerhalb des RCPE wird großer Wert auf die Partnerschaftsstrukturen gelegt. Zu den Vorteilen für kooperierende Einrichtungen gehören
• unabhängige Forschungsarbeit und Produktentwicklung von wissenschaftlicher Arbeit bis hin zu
industriell verwertbaren Anwendungen
• umfassende und weitreichende Forschung
• Grundlagenforschung und Wissensverwertung
• umfassende mehrjährige Forschungsprogramme
• Wahrung der Rechte an geistigem Eigentum
• langfristige strategische Partnerschaften
• verschlankte Prozesse um Projekte und Partnerschaften anzukurbeln
• beidseitige Projektplanung
• gut ausgebaute wissenschaftliche und akademische Netzwerke
• etablierte Partnerschaften mit Industriebetrieben
• Lieferantennetzwerke
• hochwertige Ausstattung